Die Deutsche UNESCO-Kommission e.V. hat auf Antrag und Betreiben des Gehörlosenverbandes Hamburg die Deutsche Gebärdensprache als nationales Immaterielles Kulturerbe anerkannt!
Ihr findet hierzu die Erklärungen des Vorsitzenden des Gehörlosenverbandes Hamburg Stefan Palm-Ziesenitz:
Hallo, ich bin Stefan Palm-Ziesenitz, der Vorsitzende vom Gehörlosenverband Hamburg. Habt ihr schon erfahren, dass am 19. März 2021 die Deutsche Gebärdensprache (DGS) als nationales Immaterielles Kulturerbe von der UNESCO anerkannt worden ist? Dazu gibt es ein besonderes Logo (siehe oben). Darüber sind wir sehr glücklich und froh.
Allerdings haben wir von einigen Gehörlosen Anmerkungen erhalten, dass die Gehörlosen nichts damit anfangen können, was die DGS mit dem UNESCO Kulturerbe zu tun hat. Dazu wollen wir versuchen euch eine Antwort zu geben.
Erst einmal eine kurze Erklärung: Was bedeutet UNESCO?
Die UNESCO ist eine Tochterorganisation der UN (Vereinte Nationen). Sie hat die Aufgabe den Frieden unter den Völkern auf der Welt durch Kultur, Wissenschaft, Bildung und Kommunikation usw. zu fördern. Ein besonderer Bereich ist z.B. das Weltkulturerbe.
Hierzu zählen z.B. die Pyramiden in Ägypten, das Kolosseum in Rom, die Chinesische Mauer, die Mexikanische Stufenpyramide und noch viel mehr. Die Anerkennung als Weltkulturerbe durch die UNESCO ist nur für besondere Gebäude, Stätte und Industrien möglich, aber auch für besondere Biotope (Weltnaturerbe). Dies ist nicht zu verwechseln mit den Nationalparks.
In Deutschland gibt es ca. 43 Stätten, die als Weltkulturerbe anerkannt sind, z.B. der Kölner Dom, der Naumburger Dom, die Stadt Bamberg und auch die Stadt Lübeck, Industriestätten wie z.B. das Bergwerk Zollverein in Essen, im Harz das Rammelbergwerk, das stillgelegte Stahlwerk in Völklingen - alles was einmalig erbaut wurde.
In Hamburg, denke ich zumindest, gibt es auch 2 Stätten, die als Weltkulturerbe anerkannt sind: die Speicherstadt und das Chilehaus (gebaut wie ein Schiff).
Was bedeutet dagegen Immaterielles Kulturerbe?
Die Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe wird für Dinge vergeben, die man nicht greifen kann (Abstraktes), z.B. Wissen, Kultur, Kunst usw. In Deutschland gibt es bis jetzt ungefähr 120 Einträge zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes, darunter ist auch die Deutsche Gebärdensprache, die vor kurzem anerkannt worden ist. Andere Bereiche sind z.B.: die Deutsche Brotbackkunst (dadurch gibt es die besten Brote in Deutschland, im Ausland schmecken die Brote nicht so toll), der Orgelbau und Reetdachbau, aber auch bestimmte Musikformen, Lieder usw.
Jetzt zurück zu eurer Frage: „Warum ist es kostbar, dass die DGS als nationales Immaterielles Kulturerbe anerkannt ist?"
Angenommen du planst einen Ausflug oder Urlaub und schaust in einen Reiseführer. Dort entdeckst du ein von der UNESCO anerkanntes Weltkulturerbe. Dieses macht dich neugierig, da möchtest du unbedingt hingehen in der Erwartung, dort etwas Besonderes zu sehen. Was bedeutet das? Dieses Gebäude bekommt mehr Achtung, Würdigung und Respekt usw.
Im übertragenen Sinn bekommt die DGS auch mehr Achtung, Würdigung und Respekt. Dadurch hoffe ich, dass die DGS mehr Einfluss auf andere Bereiche haben kann; z.B. der Deutsche Gehörlosen-Bund stellt einen Antrag zur Anerkennung der DGS als Amtssprache. Und wenn man im Antrag zusätzlich erwähnt, dass die DGS ein nationales UNESCO Kulturerbe ist, haben die Politiker hoffentlich mehr Achtung gegenüber der DGS. Dadurch sagen sie langsamer "nein", dadurch wird die Chance auf die Annahme des Antrags größer.
Oder man stellt zum Beispiel einen Antrag beim NDR Fernsehen auf mehr Dolmetschereinblendungen. Und bei Erwähnung der DGS als Immaterielles Kulturerbe im Antrag, werden die Entscheidungsträger zu der Erkenntnis kommen, dass die DGS keine minderwertige Sprache ist.
Eins finde ich schade: Vor 1 oder 2 Monaten gab es von der ARD auf Twitter eine Meldung: „Deutsche Gebärdensprache hat keine Tradition.“ Darauf könnte man jetzt toll antworten: Die DGS ist ein von der UNESCO anerkanntes nationales Immaterielles Kulturerbe! Dann würde es den Verantwortlichen im Fernsehen mit Sicherheit die Sprache verschlagen. Schade…
Nun hoffe ich, euch eure Fragen beantwortet zu haben.
Zum Schluss möchte ich noch sagen: Der Gehörlosenverband Hamburg hat den Antrag selbst gestellt, vor ca. 1½ Jahren. Ich möchte mich bedanken bei Ralph Raule für die Idee den Antrag zu stellen und bei Louisa Pethke für das mühsame Ausfüllen des umfangreichen Antrages. Auch ein Dankeschön an die drei Professor*innen Christian Rathmann, Annika Herrmann und Barbara Hänel-Faulhaber für das Erstellen der Gutachten, die dem Antrag beigefügt worden sind.
Tschüss!